Print Logo
Zurück zu Blog

Zimmerarbeit im Wandel

HolzHandwerk als Kernkompetenz

Das traditionelle HolzHandWerk hat in den letzten Jahrzehnten einen grossen Wandel durchgemacht. Die Planung ist aufwändiger und viele Details müssen schon im Vorfeld im Auge behalten werden. Brandschutzmassnahmen, Dämmwerte, Zertifikate, sind alltäglich geworden. Projektmanagement und Ökologie haben enorme an Bedeutung gewonnen.

Einst war ein mit dem Beil gefertigtes Fachwerk das Mass aller Dinge. Heute sind dem Zimmermann was Spannweiten und Design angeht kaum Grenzen gesetzt. Die aktuellen Verbindungstechniken und die enorme Auswahl an Holzwerkstoffen und weiteren Materialien lassen viele mögliche Konstruktionen zu. Unter heutigen Zimmerarbeiten verstehen wir traditionelles Aufrichten, dass vor allem bei landwirtschaftlichen Bauten, Dachstühlen und Carports zur Anwendung kommt. Hinzu kommen Sanierungen und Aufstockungen in der Elementbauweise. Trotz der technologischen Entwicklung und Anforderungen bleibt der klassische Holzbau eine unserer Kernkompetenzen.

Bauweisen früher bis heute

Holz ist eines der ältesten Baumaterialien der Menschheit. Aus der Jungsteinzeit bis in die Bronzezeit sind Überreste von Pfahlbauten erhalten. Der Baustoff wurde beim Roden der Wälder für Ackerflächen gewonnen und ermöglichte durch seine Leichtigkeit und Stabförmigkeit die Besiedelung der Uferzonen von Seen, die als Acker- und Weideflächen ungeeignet waren.

In Nord- und Mitteleuropa blieb Holz bis in die Neuzeit wichtigster Baustoff. Gebäude wurden zunächst vor allem als Blockbauten – aus horizontal geschichteten und über Eck ausgesteiften Wänden – oder als Pfostenbauten – als Skelettbau mit in den Erdboden gerammten Pfosten – errichtet. Pfostenbauten hatten einen wesentlich geringeren Holzbedarf als Blockbauten und waren daher auch in weniger waldreichen Gebieten verbreitet. Die Wände zwischen den Pfosten konnten mit Lehm, Lehmsteinen oder verputztem Flechtwerk gefüllt werden und benötigten kein hochwertiges Holz. Die Lebensdauer von Pfostenbauten war jedoch auf 20 bis 30 Jahre begrenzt, denn die in den Boden gerammten Hauptstützen waren dauerhafter Feuchtigkeit ausgesetzt. Und als primäres Tragwerksteil konnten sie nicht ausgewechselt werden, ohne die gesamte Konstruktion in Frage zu stellen.

Fachwerkbau in Mitteleuropa

Vor diesem Hintergrund stellt die Einführung des Fachwerkbaus eine bautechnische Revolution dar. Obwohl in Südeuropa seit der Antike bekannt, setzten sich verschiedene Arten des Fachwerkbaus nördlich der Alpen erst seit dem 12. Jahrhundert durch und entwickelten sich hier nach und nach zur mit Abstand am häufigsten eingesetzten Bauweise. Die Wände des Fachwerkbaus bestehen aus Pfosten und diagonalen Streben, die zusammen mit Schwelle und Rähm Wandscheiben ausbilden, auf denen die Deckenbalken aufgelegt werden. Trotz ihrer skelettartigen Erscheinung bilden Fachwerkwände Scheiben, die das Gebäude aussteifen.

Im Gegensatz zum früheren Pfostenbau ist die Konstruktion vom Fachwerkbau nicht mehr auf die Einspannung der Pfosten im Boden angewiesen. Die Entfernung der Holzkonstruktion von Erdfeuchte und Spritzwasser ermöglichte Gebäude, die mehrere hundert Jahre bestanden und deren tragende Einzelteile ausgewechselt werden konnten, ohne die gesamte Konstruktion in Frage zu stellen. Mit dem Fachwerkbau etablierte sich sehr viel Wissen um den konstruktiven Holzschutz, welches bis heute angewandt wird. Und anders als beim Pfostenbau war es nun möglich und lohnenswert, mehrgeschossige Gebäude bis zu sechs Stockwerke hoch zu errichten.

Ausserdem veränderte die Einführung des Fachwerkbaus die Arbeitsweise der Zimmerleute grundlegend. Denn die Anforderungen, die Vielzahl und die Komplexität der Holzverbindungen förderten die Vorfertigung von Einzelteilen, die dann auf der Baustelle schnell zum Tragwerk des Gebäudes aufgerichtet werden konnten. Während für den Abbund wenige fachkundige Handwerker ausreichten, konnte das Aufrichten durch viele Hilfsarbeiter in kurzer Zeit geschehen. Mit dem Aufkommen des Fachwerkbaus wurde der Zirkel in das Handwerkswappen der Zimmerleute aufgenommen, denn für den Abbund war es erstmals unerlässlich, das Gebäude im Voraus genau und detailliert zu planen.

Seinen prägenden architektonischen Ausdruck erhält der Fachwerkbau durch seine Fassaden. Hier ist die Konstruktion ablesbar, ihre Elemente sind oft kunstvoll und dekorativ bearbeitet. Konstruktive Eigenschaften wie geschossweises Auskragen der Decken und darüber liegenden Wände erzeugen das bauplastische Relief. Gleichzeitig werden so die Deckenbalken zwischen unterer und oberer Wand eingespannt und dadurch Schwingung und Durchbiegung reduziert. Die Fassade des darunter liegenden Geschosses ist damit ausserdem besser vor Bewitterung geschützt.

Industrialisierung und Moderne

Ab dem 19. Jahrhundert werden die traditionellen Holzbauten vor allem in den Städten zunehmend durch Mauerwerksbauten ersetzt. Jedoch vorerst nur äusserlich, denn weiterhin war Holz das einzige, in grossen Mengen verfügbare Material, sodass Decken-, Dach- und Treppenkonstruktionen immer noch fast ausschliesslich aus Holz bestanden. Das änderte sich, als Stahl und Beton mit der Industrialisierung zum Massenprodukt wurden. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war Holz in Mitteleuropa weitgehend aus dem Materialkanon moderner Gebäudetragwerke verschwunden.

Dabei war es um 1900 möglich, grosse Spannweiten mit gebogenen Tragwerken aus verleimten Brettlamellen zu erreichen. Der Zimmermeister und Unternehmer Otto Hetzer erhielt 1906 das Patent auf seine Erfindung. Hetzer entwickelte gebogene, verleimte Holzbauteile aus mehreren Lamellen, die unter Druck zusammengefügt werden und unlöslich miteinander verbunden sind, und die eine wirtschaftliche Bauweise ermöglichten. Diese tragfähigen und beständigen Balken waren günstiger als Bauen mit Stahlbeton und bewirkten einen Aufschwung des Holzbaus. Die Hetzer-Träger fanden Einsatz bei zahlreichen Hallenkonstruktionen und Bahnsteigüberdachungen. Auf dieser Erfindung basiert das heutige Brettschichtholz. Sie trug massgeblich zur Entstehung des Ingenieurholzbaus bei: In Kombination mit neuen Verbindungsmitteln entstanden seitdem weltweit zahlreiche Hallen- und Brückenbauwerke in dieser neuen Bauweise.

Eine kurze Phase der Aufmerksamkeit erlangte die heimische Ressource Holz in der von Rohstoffmangel geprägten Zwischenkriegszeit. Verstärkt wird die Kombination von Holz und Beton seit den 1980er-Jahren wieder sehr erfolgreich genutzt.

Jahrtausendwende und Renaissance des Holzbaus

Seit der Jahrtausendwende erlebt der Baustoff Holz ein erneutes Aufleben, denn die ökologischen Vorteile von Holz gewinnen zunehmend an Bedeutung. Bereits seit den 1970er-Jahren wurden immer mehr neue Materialien und Konstruktionsmethoden im Holzbau eingesetzt. Aus den USA wurden Holzwerkstoffe wie OSB-Platten eingeführt, oder Konstruktionen wie der standardisierte Ständerbau übernommen und zum Tafel- oder Rahmenbau weiterentwickelt. Brettstapeldecken und -wände, die seit den 1920er-Jahren bekannt waren, wurden zu leistungsfähigeren und vorgefertigten Tragwerksteilen, die aus minderer Holzqualität hergestellt werden konnten, optimiert.

In den 1990er-Jahren sorgten Vorhaben in Bayern und Österreich dafür, Holz als Baumaterial mehrgeschossiger Wohnhäuser wieder in das Bewusstsein zu bringen. Die Erwartungen, die auf der Reduzierung der Baukosten lagen, wurden jedoch nicht erfüllt. Man erkannte aber die Vorteile des Holzbaus hinsichtlich Energieeffizienz (schlankere Gebäudehülle) und hinsichtlich seiner Möglichkeiten in der Vorfertigung.

Der grosse Wandel im Holzbau wird vielleicht am eindrucksvollsten vermittelt durch die Einführung von Brettsperrholz und Furnierschichtholz, die sich als Primärkonstruktion für Gebäude verwenden lassen. Im Jahr 2000 schrieb Andrea Deplazes (Schweizer Architekt und Professor aus Chur): „Das Grundelement des aktuellen Holzbaus ist konsequenterweise nicht mehr der Stab, sondern die Platte.”

Obwohl stabförmige Bau- und Tragwerksteile nach wie vor Teil des Holzbaus sind, hat dieser sich grundlegend verändert. Inzwischen prägen Hybridkonstruktionen aus unterschiedlichen Holzwerkstoffen oder Kombinationen von Holz mit anderen Baustoffen wie Beton oder Stahl das alltägliche Bauen. Intelligente Kombinationen verschiedener Bauelemente ermöglichen massgeschneiderte Lösungen in der Baupraxis sowie grösstmögliche Entwurfsfreiheit.

Die Erscheinung des Holzbaus wandelte sich im Zuge dieser Entwicklungen von ursprünglich stark hierarchisch geprägten, räumlich aufwändigen hin zu geometrisch immer schlichteren, kompakteren Bauteilen und Verbindungen. Damit können nicht nur die Anforderungen an energieeffiziente Gebäudehüllen sowie an den Brand- und Schallschutz sinnvoller erfüllt werden, sondern der Holzbau kann so auch besser mit anderen Baustoffen konkurrieren. In den letzten Jahrzehnten sind immer mehr eindrucksvolle Gebäude mit einer Primärkonstruktion aus Holz entstanden.

Für weit spannende Tragwerke wie Sporthallen, Veranstaltungsräume oder Produktionsstätten war Holz schon seit längerem ein interessanter und wichtiger Baustoff.

Aufbruch ins 21. Jahrhundert

Die spektakulärste Entwicklung ist jedoch in den letzten Jahren im mehrgeschossigen Bauen mit Holz zu beobachten. Im 20. Jahrhundert liess die Baugesetzgebung in Mitteleuropa kaum mehr als drei Geschosse zu. 2007 sorgte das Wohn- und Geschäftshaus E3 von Kaden Klingbeil Architekten als innerstädtischer, siebengeschossiger Holzbau für grosses Aufsehen, 2011 und 2012 entstanden mit in Dornbirn achtgeschossige Holzgebäude am Rande der Hochhausgrenze. In London, Melbourne und Mailand waren zuvor schon zehn- bzw. neungeschossige Wohngebäude aus Brettsperrholz errichtet worden. 2015 folgte ein 14-geschossiger Bau im norwegischen Bergen. 2017 wurde mit einem 18-geschossigen Studentenwohnheim in Vancouver der damals höchste Holzbau der Welt fertiggestellt. In Wien befindet sich mit seit 2019 das HoHo ein Holz-Beton-Hybridgebäude mit 24 Geschossen.

Holz-Hochhäuser in der Schweiz

In der Schweiz wird derzeit ein Holzhochhaus mit 27 Geschossen errichtet. Das 80 Meter hohe Gebäude soll 2024 in Zug bezugsbereit sein. Im weltweiten Vergleich wäre das Hochhaus zurzeit auf Platz 3. Auf dem Areal Lokstadt einem Teil des Sulzerareals in Winterthur soll das zurzeit höchste Holzhaus der Welt entstehen. Im Hochhaus «Rocket» sollen Wohnungen realisiert werden, im dazu gehörigen Sockelbau «Tigerli» unter anderem auch ein Hotel. Das Holz-Hochhaus basiert auf einer neuartigen Holzkonstruktion und soll von Fassaden aus Terracotta umhüllt sein. Gegen hundert Meter hoch soll das Gebäude schlussendlich werden. Bezugsbereit soll das hölzerne Hochhaus im Jahr 2026 sein.

Mit der allgemeinen Neugier am Holzbau wuchsen auch die wissenschaftlichen Interessen und der Bedarf an Forschung. Die dem Holzbau gelegentlich immer noch anhängenden Vorurteile, dass er gegenüber dem Massivbau Defizite hinsichtlich des Raumklimas oder Probleme beim Schallschutz habe, sind heute nicht mehr berechtigt. Der neue Holzbau ist berechenbar geworden, nicht zuletzt durch das Zusammenwirken aus angewandter Forschung und dem Praxiswissen von Handwerk, Architekten, Bauingenieuren und Bauphysikern. Es kann hinterfragt werden, ob die Jagd nach immer neuen Höhenrekorden der angemessene Massstab zur Beurteilung aktueller Entwicklungen im Holzbau ist. Jedenfalls zeigen diese Beispiele, dass das mehrgeschossige Bauen mit Holz keine Besonderheit mehr ist. Und so scheint der Holzbau mit Verspätung doch noch im Materialkanon modernen Bauens angekommen zu sein.

Übersicht der höchsten Holzhochhäuser / Holz-Hybrid-Hochhäuser weltweit

Projekt                                 Standort                                Geschosse            Höhe                      Status   

Donaumarina Tower          Wien / Österreich                 41                           138 m                    fertiggestellt

Ascent                                  Milwaukee / USA                 25                           87 m                      fertiggestellt

Mjøstårnet                           Brumunddal / Nowegen     18                            85,5 m                   fertiggestellt

Hoho                                     Wien / Österreich                 24                           84 m                      fertiggestellt

Sara Kulturhus                    Skellefteå / Schweden        20                           76 m                      fertiggestellt

Suurstoffi BF1                      Risch-Rotkreuz / Schweiz  15                           60 m                      fertiggestellt

Skaio                                     Heilbronn                              10                            34 m                      fertiggestellt

Atlassian HQ                        Sydney / Australien            40                            180 m                    im Bau befindlich

Roots                                     Hamburg                               18                            65 m                      im Bau befindlich

Carl                                        Pforzheim                             14                            45 m                       im Bau befindlich

WoHo                                    Berlin                                     29                           98 m                       in Planung

Rocket                                   Winterthur / Schweiz         32                           100 m                     in Planung

Pi                                            Zug / Schweiz                      27                           80 m                       in Planung

PHH-16                                  Leipzig                                   16                           59 m                       in Planung

FAZIT

Der Holzbau hat sich im Wandel der Zeit massiv verändert. Früher war ein trockenes, warmes, stabiles und langlebiges Heim die erste Priorität beim Erstellen eines Gebäudes. Wo früher der Rohstoff Holz vor allem wegen seiner Verfügbarkeit und Stabförmigen Eigenschaften gewählt wurde, wird er heute nebst den vielen Alternativen meist auch auf Grund seiner ökologischen Vorteile eingesetzt. Man erkennt auch die Vorteile des Holzbaus hinsichtlich Energieeffizienz und hinsichtlich der Möglichkeiten in der Vorfertigung.

Zu unseren traditionellen Zimmerarbeiten gehören bis heute hauptsächlich das Aufrichten von Dachstühlen, landwirtschaftlichen Bauten und Carport. Hinzu kommen Sanierungen und Aufstockungen in der Elementbauweise. Trotz der technologischen Entwicklung und stetig steigenden Anforderungen bleibt der klassische Holzbau eine unserer Kernkompetenzen.

Ihr Team der Brauchli AG Luzern